Vita

Gespräch
EIN GESPRÄCH ZWISCHEN ZWEI KÜNSTLERN

ACHIM BOOTH STELLT ECKART HINZE FRAGEN
ZU SEINER KÜNSTLERISCHEN ARBEITSWEISE
GEFÜHRT AM 22. FEBRUAR 2013

Achim: Wir wollen über deine Kunst sprechen. Und deshalb zunächst mal die erste Frage: An was arbeitest du gerade?

Eckart: Gerade und schon seit einiger Zeit arbeite ich an meinen Bildobjekten. Diese bestehen aus mehreren transparenten Ebenen, die ich mit Farbe betropfe. Zusammen montiert werden dann dreidimensionale Objekte daraus.

Achim: Du sprichst von Bildobjekten, das ist ja ein ziemlich abstrakter Begriff. Dein Zugang zur Kunst war ja vermutlich ein anderer. Wie kommt man zu so etwas wie einem Bildobjekt. Was ist die Geschichte davor?

Eckart: Als ich angefangen habe zu malen war mein Bildträger ganz traditionell die Leinwand, auf die ich dann mit Pinsel und Spachtel Ölfarbe aufgetragen habe. Mein Thema war dabei immer die Farbe.In ihrer immateriellen Qualität genauso, wie in ihrer materiellen Qualität. Mich interessierte es u. a., die Beziehungen der Farben untereinander zu erforschen.
Es gab als Ausgangspunkt keine Skizzen. Der Arbeitsprozess sollte möglichst offen sein. Ich habe Farbschichten aufgetragen, teilweise wieder abgekratzt, immer auf der Suche nach dem idealen Bild. Es war oft ein sehr anstrengender Prozess, denn jeder neue Pinselstrich konnte das Bild zerstören.

Achim: Kann man bei deinen ersten Arbeiten auch schon von Objekten sprechen? Wie ist da dein Bildbegriff am Anfang? Hat es was mit Abbildung zu tun, oder bildet sich das Material ab? Wie ist die Beziehung deiner Bilder zur Realität.

Eckart: Also, ich habe eigentlich nie versucht gegenständlich zu malen. Interessant fand ich aber immer die Beobachtung von Stimmungen in der Welt, ganz besondere Licht- und Farbstimmungen, die meine Aufmerksamkeit erregt haben. Die wollte ich aber nie darstellen. Ich hatte sie mir nur gemerkt, um sie als Ausgangspunkte für meine Bildfindung, die aber immer, wie schon gesagt, ein offener Prozess ist, zu nutzen. Letztendlich sollten die Bilder nur sich selber darstellen.
Farben fand ich dabei immer besonders interessant, weil sie so relativ zueinander sind, d. h. dass ein bestimmtes Orange in direkter Nachbarschaft zu einem Grau z. B. ganz anders wirkt, als zu einem Blau. Das Orange wechselt also abhängig von seiner Umgebung sein Aussehen. Ich finde das interessant.
Die malerische Gestik habe ich versucht zurückzunehmen. Sie sollte schon da sein, aber nicht zu sehr im Vordergrund stehen. Bei meinen heutigen Arbeiten, den Bildobjekten, ist das anders geworden. Ich setze keinen Pinselstrich mehr, über den ich versuche mich auf der Leinwand auszudrücken. Heute fällt die Farbe mit Hilfe der Schwerkraft auf den Bildträger, der Vorgang wird damit auch einem Naturgesetz überlassen. Es gibt keine malerische Geste mehr. Jeder Tropfen hat seine eigene Natürlichkeit, die von mir nicht "gemacht" ist, sondern aus sich heraus existiert. Ich bestimme nur, wo der Tropfen landen soll.

Achim: Du hast dich, wie du sagst, sehr lange mit der klassischen Art der Malerei beschäftigt. Klassisch im Sinne von Ölfarbe, Pinsel, Leinwand und Keilrahmen. Irgendwann hat deine Arbeit dann einen klaren Bruch erfahren. Nicht inhaltlich, sondern in der Wahl der Medien. Ich rede hier von deinen Lichtobjekten. Glaubst du, dass du da in der Malerei an einen Punkt gekommen bist, wo es nicht mehr weiterging? Hattest du alles ausgeschöpft, oder warum hast du da einen Schnitt gemacht? Es gibt ja auch Maler, die sich immer exzessiver in die Materie hineinstürzen, bis die Bilder z. B. schwarz werden.

Eckart: Ja, es gab da eine Zeit, da wußte ich nicht mehr, wie ich weitermalen sollte, ohne mich ständig zu wiederholen. So wurde mir klar, dass ich etwas anders machen musste. Wie ich dir ja schon gesagt habe, haben mich Licht und Farbe immer schon grundsätzlich interessiert. Ich trieb mich zu der Zeit sehr oft in Baumärkten herum und studierte die Produktpalette. Und so verfiel ich auf die Idee, mit künstlichem Licht, in Form von Baumarktleuchten, zu experimentieren. Es wurde eine Befreiung von der Malerei. Und trotzdem stand diese Art der Arbeit natürlich in direkter Beziehung zu meinen vorher gemalten Bildern. Es war einfach Malerei mit anderen Mitteln.

Achim: Ja genau, das ist mir auch aufgefallen. Und auch das was du gerade machst, ist ja genauso Malerei mit anderen Mitteln, Deine früheren Arbeiten sind ja,wie schon gesagt, nach dem Schichtenprinzip aufgebaut. Und damit ist eine Dreidimensionalität im Mikrokosmos auch schon vorhanden. Wenn man näher an die Bilder herangeht, bemerkt man ja auch eine Schichtentiefe. Schicht für Schicht. War dir das wichtig, so etwas auch mal in einem anderen Medium auszutesten?

Eckart: Dieses "Schichtenprinzip" finde ich sehr interessant. Für mich bedeutet das, eine Tiefe überhaupt erst herzustellen zu können. Ich habe es bei meinen neuen Bildobjekten noch weiter ausgebaut. Der Abstand der Schichten zueinander und die Transparenz der Bildträger erlaubt eine erweiterte Dreidimensionalität, "Real 3-D" mit einfachsten Mitteln.
Was mir dabei wichtig ist: Die einzelnen Schichten bleiben sichtbar und präsent. Das Wechselspiel zwischen den Schichten funktioniert im realen Raum und verstärkt den Objektcharakter. Hinzu kommen Licht und Schatten, die jetzt nicht nur von vorne, sondern von überall wirken können.

Achim: So ist das Ganze also eher zu einem technischen Vorgang geworden.

Eckart: Wieso technisch?

Achim: Wegen der Separation der Arbeitsgänge, da du ja mehrere Platten nacheinander bearbeitest. Dagegen geht es bei der Malerei um einen einzigen Arbeitsvorgang, der ja auch eine große physische Präsenz erfordert, weil auch ganz schnell alles zerstört sein kann. Hast du nun durch die Mechanisierung der Arbeitsabläufe das Gefühl, dass du die Sache jetzt mehr im Griff hast?

Eckart: Ja, absolut. Die Möglichkeit in mehreren Arbeitsgängen zu arbeiten erweitert auch die kreativen Möglichkeiten. Der Arbeitsprozess hat sich verändert, weil ich jetzt Ebenen miteinander kombinieren kann, die eigentlich gar nicht für ein Miteinander vorgesehen waren. Es passiert etwas, was ich von vornherein nie so gedacht hätte. Das ergibt eine viel größere Freiheit. Ich kann meine Beschränktheit überwinden und so auf ganz neue Gebiete vordringen. Außerdem ist das Risiko der Zerstörung teilweise gebannt. Wenn die eine Ebene nicht funktioniert, probiere ich mich einfach an der Erstellung einer neuen Ebene, die dann vielleicht besser funktioniert. Und weil ich keine Angst zu haben brauche, das Ganze zu zerstören, bekomme ich so das gute Gefühl von Kontrolle. Und deshalb kann ich sie auch wieder hergeben. Das ist wichtig um mich selbst zu überraschen.

Achim: Welche Rolle spielt für dich der Betrachter deiner Bilder? Soll er etwas bestimmtes entschlüsseln bzw. nachvollziehen von dem, was du gemeint hast?

Eckart: Zunächst mache ich die Sache für mich und der erste Betrachter meiner Arbeiten bin ja auch ich selber. Der unabhängige Betrachter, der als nächster meine Bilder sieht, sollte schauen, wenn möglich mit etwas Zeit. Das Schauen korrespondiert dann mit seinem individuellen Erfahrungsschatz und bewirkt seine Empfindungen. Jedenfalls muss er keine Bilderrätsel lösen, und wenn doch, dann nur wenn er sich selbst die Rätsel stellt.

Achim: Wenn du eine Überschrift oder eine Schlagzeile zu deinen Bildern finden müsstest, wie könnte die lauten?

Eckart: Weiß nicht. Vielleicht: "Mein Bild sagt mehr als meine Worte"?